Einfach für alle? Wie sich Einfache Sprache einsetzen lässt

Texte in Leichter Sprache entstehen meist durch „Übersetzung“ eines anderen, schwierigeren Texts. Sie sind fast immer ein Zusatzangebot für eine ganz bestimmte Zielgruppe. Bei Einfacher Sprache ist das nicht der Fall: Sie ist wesentlich vielseitiger einsetzbar. Welche Optionen es gibt, zeigt dieser Überblick.

Inhalt
Variante 1: Einfache Sprache als Zusatzangebot
Variante 2: Einfache Sprache für alle
Variante 3: Ein Text für unterschiedliche Bedürfnisse

Variante 1: Einfache Sprache als Zusatzangebot

Einfache Sprache kann –  genau wie Leichte Sprache – genutzt werden, um einen vorhandenen Text zu vereinfachen. So entsteht eine zusätzliche Textversion für Zielgruppen, die das Original nicht verstehen würden.

Solche „Zusatztexte“ hat man im deutschsprachigen Raum traditionell vor allem eingesetzt, um Inhalte für Menschen mit eingeschränkter Lese- oder Sprachkompetenz zugänglich zu machen.  Eine klassische Anwendung wäre etwa folgende: Eine Volkshochschule erstellt zusätzlich zu ihren Standard-Teilnahmebedingungen eine vereinfachte Fassung für die Teilnehmenden ihrer Deutsch- und Grundbildungskurse.

Eine Kombination von Originaltext und zusätzlicher Version in Einfacher Sprache findet man aber auch in anderen Kontexten und für andere Zielgruppen. So kann ein Text in Einfacher Sprache beispielsweise dazu dienen, den Inhalt einer wissenschaftlichen Publikation für die Allgemeinheit verständlich aufzubereiten. Dabei setzt man nicht nur auf der sprachlichen Ebene an, sondern berücksichtigt auch die Vorkenntnisse der Leserschaft und erklärt thematisch relevante Zusammenhänge oder Begriffe.

Bei wissenschaftlichen Themen ist diese Herangehensweise durchaus sinnvoll. Denn häufig lassen sich die unterschiedlichen Ansprüche von Fachleuten und Laien nicht mit ein und demselben Text erfüllen. In anderen Bereichen jedoch lohnt es sich zu fragen: Genügt nicht ein einziger Text, der für alle verständlich ist? Oft ist das der Fall.

Variante 2: Einfache Sprache für alle

Tatsächlich begegnen uns im Alltag „einfache Texte für alle“ häufiger, als uns möglicherweise bewusst ist. Denn viele Texte befolgen die Prinzipien Einfacher Sprache, ohne dieses Label zu tragen.

Einfache Sprache in Alltagstexten

Ein Beispiel sind Wettervorhersagen: Sie sind in der Regel sprachlich einfach gehalten und inhaltlich auf wesentliche, alltagsrelevante Informationen reduziert. Komplexe meteorologische Zusammenhänge werden dagegen bewusst ausgeklammert oder stark vereinfacht dargestellt. Im Zentrum stehen also die Bedürfnisse der Leserinnen und Leser, so wie es den Grundsätzen Einfacher Sprache entspricht.

Auch Bedienungsanleitungen können oft durchaus als Einfache Sprache gelten: Im besten Fall sind sie klar und übersichtlich gegliedert, nutzen einfache sprachliche Strukturen und unterstützen das Verständnis durch bildliche Darstellungen. Leider haben wir vermutlich alle schon die Erfahrung gemacht, dass Gebrauchsanweisungen nicht immer diesen Ansprüchen genügen. Die Anleitung für meinen Drucker versagt beispielsweise kläglich beim Einfache-Sprache-Grundsatz „Leser und Leserinnen können leicht finden, was sie suchen“: Sie umfasst über 200 Seiten, aufgeschlüsselt auf 15 Seiten Inhaltsverzeichnis. Ein Anruf bei der Service-Hotline spart hier im Zweifel Zeit.

Einfache Verwaltungssprache

Kaum jemand kann dem Kontakt mit der Bürokratie vollkommen aus dem Weg gehen. Hin und wieder gilt es, ein neues Ausweisdokument oder eine Meldebescheinigung zu beantragen, der Behörde einen Umzug mitzuteilen oder Vergleichbares. In diesen Situationen haben wir in der Regel recht ähnliche und nicht allzu komplexe Fragen: Wir wollen wissen, wann und wo wir etwas erledigen können und was wir dafür brauchen. Mit den zugrundeliegenden Verwaltungsvorschriften möchten sich hingegen die wenigsten vertieft befassen. Somit sind Verwaltungstexte an sich natürliche Kandidaten für Einfache Sprache. Und tatsächlich sind einige Kommunen in dieser Hinsicht auf einem guten Weg: Sie nähern sich dem Ideal Einfacher Sprache an, indem sie die notwendigen Infos unkompliziert und auf den Punkt formulieren – und sie so platzieren, dass wir auch ohne Probleme finden, was wir suchen. In anderen Gemeinden herrschen weiterhin sperrige Wortverbindungen und Satzkonstruktionen vor. Dort gibt es also noch ein gewisses Entwicklungspotential.

„Einen Text für alle“ in Einfacher Sprache zu verfassen, bietet sich insbesondere dann an, wenn (fast) alle den Text mit einem sehr ähnlichen Ziel lesen und die Thematik nicht allzu komplex ist. Das ist aber natürlich nicht immer der Fall. Gleichzeitig ist es oft nicht praktikabel oder sinnvoll, verschiedene Versionen eines Texts für unterschiedliche Zielgruppen bereitzustellen. Dann ist es eine Überlegung wert, ob sich der Text so gestalten lässt, dass er unterschiedlichen Leseinteressen gerecht wird.

Variante 3: Ein Text für unterschiedliche Bedürfnisse

Will man einen Text für unterschiedliche Zielgruppen nutzbar machen, ist es notwendig, sich zunächst mit deren Erwartungen und Voraussetzungen zu befassen: Welche Informationen brauchen sie jeweils? Was interessiert sie? Wie tief wollen oder können sie in das Thema einsteigen?  Die Inhalte sollten so gewählt werden, dass sie unterschiedliche Lese- und Informationsbedürfnisse berücksichtigen. Anschließend ist zu klären, wie sich diese in den Text integrieren lassen. Ziel ist es, dass alle Leser und Leserinnen ohne Schwierigkeiten genau die Inhalte finden können, die für sie persönlich relevant sind. Eine transparente Struktur und die grafische Gestaltung können dabei die Orientierung im Text wesentlich erleichtern.

Juristische Dokumente

Sinnvoll kann dieser Ansatz beispielsweise bei juristischen Dokumenten sein, die von Menschen mit sehr unterschiedlichen Vorkenntnissen gelesen werden. Ein entsprechend gestalteter Vertrag kann für Laien und Fachleute gleichermaßen nützlich sein. Voraussetzung dafür ist, dass verständliche Grundinformationen ebenso leicht auffindbar sind wie detaillierte Angaben und Gesetzesverweise.

Museumstexte

Auch im Museumsbereich kann es sich anbieten, so vorzugehen. Denn Ausstellungen ziehen ein sehr diverses Publikum an – von Fachleuten über Schulklassen bis zu Familien und Touristen mit begrenztem Zeitbudget. Oft setzen Museen auf Paralleltexte, um unterschiedlichen Ansprüchen Rechnung zu tragen: Neben dem „regulären“ Text gibt es dann beispielsweise eine zusätzliche Version in Einfacher Sprache. Das ist allerdings aufwendig und oft auch räumlich schwierig umzusetzen. Eine Alternative kann es hier sein, mehrere Ebenen in einen Text zu integrieren: Eine Basisebene in Einfacher Sprache vermittelt die wesentlichen Informationen. Sie dient nicht nur Menschen mit geringerer Lese- oder Sprachkompetenz, sondern auch Besuchern mit wenig Zeit oder begrenztem Interesse. Darauf aufbauend bietet eine Detailebene zusätzliche Hintergründe und Zusammenhänge für diejenigen, die tiefer in die Materie eintauchen möchten. Wichtig ist dabei eine klare visuelle Differenzierung der Textebenen, etwa durch unterschiedliche Schriftgrößen und ‑farben oder Formatierungen. So lassen sich unterschiedliche Informationsbedürfnisse mit einem einzigen, durchdacht strukturierten Text bedienen.

Fazit

Einfache Sprache ist weit mehr als nur ein „Zusatzangebot“. Sie kann als eigenständige Lösung für alle Adressaten funktionieren oder geschickt mit komplexeren Sprachvarianten in einem Text kombiniert werden. Welcher Ansatz der passende ist, hängt vom jeweiligen Verwendungskontext ab – und natürlich vor allem davon, wer den Text letztendlich lesen wird. Entscheidend ist in jedem Fall, dass die Bedürfnisse der Leserschaft im Mittelpunkt stehen.

Nach oben scrollen