Ob in Texten oder in Gesprächen: Immer wieder begegnen mir Vorstellungen von Einfacher Sprache, die nicht – oder zumindest nur sehr bedingt – zutreffen. Nicht selten höre und lese ich beispielsweise, dass es „für Einfache Sprache keine Regeln gibt“. Dieses und zwei weitere verbreitete Missverständnisse möchte ich in diesem Beitrag ausräumen.
Erster Irrtum: „Für Einfache Sprache gibt es keine Regeln.“
Dieser Irrtum findet sich besonders häufig, wenn ein Vergleich zwischen Einfacher Sprache und Leichter Sprache gezogen wird. Dann heißt es etwa: „Im Unterschied zu Leichter Sprache, die auf einem Regelwerk beruht, existieren für Einfache Sprache keine entsprechenden Regeln.“
Tatsächlich ist Einfache Sprache weniger stark reglementiert als Leichte Sprache. Das bedeutet aber keineswegs, dass sie „regellos“ ist.
Leichte Sprache richtet sich vor allem an Menschen mit kognitiven Einschränkungen. Um für diese Zielgruppe verständlich zu sein, müssen Texte in Inhalt und Sprache möglichst stark vereinfacht werden. Regelwerke für Leichte Sprache formulieren hierzu verbindliche Vorgaben.
Im Gegensatz dazu deckt Einfache Sprache ein breites Spektrum an Zielgruppen ab. Um sich auf deren unterschiedliche Bedürfnisse einzustellen, ist Flexibilität erforderlich. Ein starres Regelwerk wäre hier nicht zielführend.
Leitlinien für Einfache Sprache gibt es aber sehr wohl. In englischsprachigen Ländern wurden schon vor Jahrzehnten umfangreiche Empfehlungen für Plain Language – das Pendant zu Einfacher Sprache – entwickelt. Sie zeigen auf, wie man zielgruppengerecht und möglichst verständlich schreiben kann. Auf diese Tradition gehen auch die 2024 erschienenen Normen für Einfache Sprache zurück. Sie formulieren zum einen sprachübergreifende Prinzipien für das Texten in Einfacher Sprache und gehen zum anderen auf die konkrete Umsetzung im Deutschen ein. Dabei lassen sie bewusst viel Spielraum, um verschiedene Zielgruppen angemessen ansprechen zu können. Von einer angeblich „ungeregelten“ Einfachen Sprache kann also inzwischen keine Rede mehr sein.
Zweiter Irrtum: „Einfache Sprache ist für Menschen mit geringer Lese- oder Sprachkompetenz.“
Wie bereits angesprochen, kann sich Einfache Sprache an unterschiedliche Zielgruppen richten. Menschen, die sich aus unterschiedlichen Gründen mit dem Lesen schwertun oder nicht über fortgeschrittene Sprachkenntnisse verfügen, gehören selbstverständlich dazu. Mit Einfacher Sprache lassen sich Texte so verfassen, dass sie für diesen Personenkreis verständlich und gut lesbar sind. Die Einsatzmöglichkeiten Einfacher Sprache gehen aber weit darüber hinaus: Sie lässt sich auch für ein „allgemeines Publikum“ verwenden – etwa um Fachinhalte allgemeinverständlich darzustellen.
Ob ein Text eine ganz konkrete Zielgruppe anspricht oder aber einen großen, heterogenen Adressatenkreis, kann von Fall zu Fall unterschiedlich sein. Entscheidend ist es, beim Schreiben die Voraussetzungen und Bedürfnisse der Leserinnen und Leser zu berücksichtigen. Je nachdem für wen man schreibt, wird das Ergebnis natürlich anders aussehen. Gerade bei einem „breiten Publikum“ ist es aber immer sinnvoll, Folgendes im Hinterkopf zu haben: Vermutlich werden den Text auch Personen mit relativ geringer Lese- oder Sprachkompetenz lesen. Auch für sie sollte er verständlich sein.
Dritter Irrtum: „In Einfacher Sprache sind die Sätze kurz und es gibt keine Fremdwörter.“
Schachtelsätze und Bandwurmsätze sind nicht verständnisfördernd; das ist keine überraschende Erkenntnis. Dementsprechend gelten für die Länge von Sätzen in Einfacher Sprache Beschränkungen. Die DIN-Norm Einfache Sprache – Anwendung für das Deutsche empfiehlt beispielsweise, möglichst unter 15 Wörtern pro Satz zu bleiben. Mehr als 25 Wörter dürfen es auf keinen Fall sein. Die internationale ISO-Norm rät jedoch, die Satzlänge zu variieren, um einen „guten Leserhythmus“ zu erzielen. Denn Texte mit unterschiedlich langen Sätzen wirken natürlicher und sind dadurch meist angenehmer zu lesen. Es geht also keineswegs darum, Sätze immer möglichst kurz zu halten. Wichtig ist aber, auf eine übersichtliche Satzstruktur zu achten.
Was die Fremdwörter angeht: In dieser Hinsicht gibt es bei Einfacher Sprache keine Beschränkungen. Entscheidend ist nicht die Herkunft eines Worts, sondern dass es der Zielgruppe voraussichtlich vertraut ist. In der Alltagssprache verbreitete Fremdwörter, wie etwa reparieren, kontrollieren, privat, digital, Restaurant oder Termin sind also in der Regel unproblematisch. Manchmal ist es auch gar nicht ohne Weiteres möglich, für sie eine Alternative deutschen Ursprungs zu finden. Auf wenig gebräuchliche Fremdwörter wie zum Beispiel Paradigma, perpetuieren, ambivalent oder Konjunktivitis sollte man dagegen eher verzichten – es sei denn, es ist zu erwarten, dass sie der Leserschaft bekannt sind.
Fazit
Einfache Sprache basiert auf fundierten Grundsätzen, kann vielfältig eingesetzt werden und bietet mehr sprachliche Flexibilität als oft angenommen wird. Zentral ist das Prinzip zielgruppengerechter Kommunikation. Wird es konsequent umgesetzt, können letztendlich alle von Texten in Einfacher Sprache profitieren. Was natürlich nicht heißt, dass Einfache Sprache komplexere Varianten in jedem Fall ersetzen sollte.