Einfache Sprache und Leichte Sprache werden häufig verwechselt. Kein Wunder, denn im Alltag nutzen wir die Adjektive „einfach“ und „leicht“ oft bedeutungsgleich. Doch tatsächlich handelt es sich bei Einfacher Sprache und Leichter Sprache um zwei eigenständige Konzepte. Zwischen beiden bestehen zum Teil erhebliche Unterschiede. Ein Vergleich.
Zielgruppen und Ziele
Leichte Sprache richtet sich in erster Linie an Menschen mit Lernschwierigkeiten bzw. kognitiven Beeinträchtigungen. Ihr Hauptziel ist es, Texte für diesen Personenkreis verständlich und zugänglich zu machen. Leichte Sprache soll Barrieren abbauen, Teilhabe ermöglichen und somit zur Inklusion der Zielgruppe beitragen. Für bestimmte Bereiche ist die Verwendung Leichter Sprache auch gesetzlich geregelt.
Einfache Sprache kann sehr unterschiedliche Zielgruppen im Blick haben. Das können Menschen sein, denen das Lesen schwerfällt, oder Personen, für die die Textsprache eine Fremdsprache ist. Texte in Einfacher Sprache können aber auch ein allgemeines Publikum ansprechen; etwa wenn es um die Vermittlung komplexer Fachthemen geht oder vermutlich wenig Zeit zum Lesen ist. Ziel Einfacher Sprache ist eine verständliche, nutzerorientierte Kommunikation, die den Bedürfnissen der konkreten Leserschaft Rechnung trägt.
Regelwerke
Für Leichte Sprache existieren verschiedene Regelwerke, die alle darauf abzielen, Texte inhaltlich und sprachlich möglichst weitgehend zu vereinfachen. Allerdings vertreten sie in einigen Punkten widersprüchliche Auffassungen, wie das am besten zu erreichen ist. Das aktuellste Regelwerk ist die DIN SPEC Leichte Sprache aus dem Jahr 2025. In ihr spiegeln sich teilweise neuere Forschungserkenntnisse wider. Ältere Regelwerke, etwa die Regeln des Netzwerks Leichte Sprache oder der Universität Hildesheim, sind aber nach wie vor in Gebrauch. Sie sind tendenziell restriktiver als die DIN SPEC.
Für Einfache Sprache gibt es zwei Normen, die sich gegenseitig ergänzen: Die „internationale Norm“ ISO 24495-1 formuliert allgemeine Prinzipien für verständliche, leserorientierte Texte. Zusätzlich gibt die „nationale Norm“ DIN 8581:1 Hinweise, wie sich diese Prinzipien in der deutschen Sprache umsetzen lassen. Im Zentrum steht jeweils die Frage, wie sich Texte so gestalten lassen, dass sie bestmöglich dem Bedarf und den Voraussetzungen der anvisierten Leserinnen und Leser entsprechen. Angesichts der Vielfalt möglicher Zielgruppen lassen die Normen bei der sprachlichen Ausgestaltung viel Spielraum.
Sprache
Leichte Sprache strebt Verständlichkeit durch größtmögliche sprachliche Vereinfachung an. Für den Satzbau heißt das: Sätze sollen möglichst kurz sein und nur eine Aussage enthalten. Je nach Regelwerk ist die Verwendung von Nebensätzen tabu oder zumindest stark eingeschränkt.
Die Wörter in Leichter Sprache sollen kurz, anschaulich und alltagsnah sein. Fremdwörter sind allenfalls dann zulässig, wenn sie sehr gebräuchlich sind. Lassen sich lange oder schwer lesbare Wörter nicht vermeiden, werden sie visuell gegliedert, zum Beispiel „Betriebs·rat“ „Wohnungs-Schlüssel“ oder „Wohn·geld-Antrag“. Dabei werden geltende Rechtschreibregeln teils missachtet.
Einfache Sprache erlaubt mehr Flexibilität im Satzbau. Kürze hat nicht die oberste Priorität: Die Länge der Sätze sollte variieren, um einen natürlichen Sprachrhythmus zu erzeugen. Komplexe Schachtelsätze sind zu vermeiden, doch kürzere Satzgefüge – beispielsweise ein Hauptsatz mit einem Nebensatz – sind durchaus zulässig. Was angemessen ist, hängt davon ab, an wen sich der konkrete Text richtet.
Auch bei der Wortwahl steht die Verständlichkeit für die jeweilige Zielgruppe im Vordergrund. Gebräuchliche und eher kurze Wörter werden auch in der Einfachen Sprache bevorzugt. Für Fremdwörter gelten keine grundsätzlichen Einschränkungen – entscheidend ist, dass die verwendeten Begriffe der angesprochenen Zielgruppe bekannt sind. Bei langen Wortzusammensetzungen kann ein Bindestrich zur besseren Lesbarkeit gesetzt werden. Die geltenden Rechtschreibregeln werden dabei durchweg beachtet.
Inhalt
In der Leichten Sprache muss der Textinhalt so weit vereinfacht werden, dass er auch für Lesende mit kognitiven Einschränkungen verständlich ist. Dies kann unter Umständen eine erhebliche inhaltliche Reduzierung erforderlich machen.
Einfache Sprache folgt dem Grundsatz „Leser und Leserinnen erhalten, was sie brauchen“ (Norm für Einfache Sprache DIN ISO 24495:1). Das heißt, die Inhalte werden entsprechend den Bedürfnissen der jeweiligen Leserschaft ausgewählt. Alles, was für die Zielgruppe relevant ist, soll im Text enthalten sein. Die Informationen müssen dabei so präsentiert werden, dass sie das Vorwissen der Leserschaft berücksichtigen. Gleichzeitig sollen die Texte keinen Ballast in Form überflüssiger Informationen enthalten. Leserorientierung wird also nicht nur in der Sprache, sondern auch in Bezug auf den Inhalt angestrebt.
Gestaltung
Texte in Leichter Sprache verwenden in der Regel Bilder, um die Verständlichkeit zu erhöhen. Zudem kommt häufig eine große Schrift zum Einsatz. Meist steht nur ein Satz pro Zeile; dadurch weicht das Schriftbild deutlich vom sonst üblichen Fließtext ab. Diese Merkmale ergeben ein spezifisches Erscheinungsbild und machen Leichte-Sprache-Texte unmittelbar als solche erkennbar. Allerdings werden sich Texte in Leichter Sprache in Zukunft in ihrem Aussehen möglicherweise weniger von anderen Texten unterscheiden als bisher. Denn die DIN SPEC Leichte Sprache rät dazu, sich bei der Gestaltung an herkömmlichen Texten zu orientieren.
Texte in Einfacher Sprache sollen allgemeine Regeln für gute Leserlichkeit berücksichtigen, wie beispielsweise den linksbündigen „Flattersatz“. Was darüber hinaus sinnvoll ist, hängt nicht zuletzt von der Länge des Texts und seiner geplanten Verwendung ab. Gerade in umfangreichen Dokumenten erfüllen gestalterische Elemente wie Zwischenüberschriften, dynamische Fußzeilen oder Marginalien eine wichtige Funktion: Sie erleichtern Lesern und Leserinnen die Orientierung im Text, damit sie „leicht finden können, was sie suchen“ (DIN ISO 24495:1).
Zwei Konzepte – verschiedene Einsatzbereiche
Leichte und Einfache Sprache unterscheiden sich also deutlich, was hauptsächlich auf ihre jeweiligen Zielgruppen zurückzuführen ist. Einfache Sprache deckt ein breites Spektrum ab. Dementsprechend können die Differenzen zu Leichter Sprache – je nach anvisierter Leserschaft – eher gering oder aber sehr ausgeprägt sein.
Das Konzept der Leichten Sprache geht von relativ ähnlichen Bedürfnissen der gesamten Zielgruppe aus. Tatsächlich ist die Gruppe der Menschen mit kognitiven Einschränkungen jedoch keineswegs homogen. Es gibt große Unterschiede hinsichtlich der Lesekompetenz und der kognitiven Fähigkeiten: Für manche ist auch Leichte Sprache noch eine Hürde, während andere auch mit etwas komplexeren Texten zurechtkommen.
Umgekehrt können natürlich auch Menschen, die nicht zur primären Zielgruppe Leichter Sprache gehören, diese verstehen. Allerdings sind die Texte inhaltlich häufig so stark vereinfacht, dass sie dem Informationsbedarf anderer Gruppen nicht gerecht werden. Die Leser und Leserinnen erhalten dann nicht, was sie brauchen, weil für sie relevante Informationen fehlen. Deshalb ist es in der Regel nicht empfehlenswert, Leichte Sprache für Zielgruppen wie Deutschlernende oder Menschen mit geringer Lesekompetenz einzusetzen.